Dienstag, 9. Juni 2015

GENUG VON ERDOGAN: DAS URTEIL DER WÄHLER


Hier kommt die zweite gute Nachricht, die ich gestern versprochen habe. Leider habe ich keine gute Analyse über die Zusammensetzung der Oppositionsparteien (insbesondere der HDP) gefunden. Ich hoffe nur, dass sie nicht unserer Linken ähnelt.


Einar Schlereth


9. Juni 2015


Schon vor zwei Tagen hat ein Leitartikel des 'Al Monitor' die Frage gestellt, ob die Wahlen der „Anfang vom Ende der Ära Erdogan“ sein werden. Er stützte sich auf die Umfragen, denen zufolge die Kurdische Demokratische Partei des Volkes (HDP) möglicherweise die 10% Hürde nehmen wird, womit der Traum Erdogans von einer 2/3 Mehrheit zu Ende wäre.

Es ist in der Tat genau so gekommen. Die HDP hat 13 % der Stimmen gewonnen und Erdogans Partei hat 9% verloren, was 68 Sitzen im Parlament entspricht. Zwar hat seine Fortschrittspartei AKP immer noch die Mehrheit, aber sie kann nicht einmal mehr alleine regieren, sondern muss sich einen Koalitionspartner suchen.

Der HDP war es gelungen, türkische Linke, konservative Kurden, die früher für die AKP stimmten und enttäuschte Liberale zu gewinnen. Nach den Wahlen sagte der Stellvertretende Vorsitzende der HDP Selahattin Demirtas: „Alle Menschen, die für Freiheit sind, alle Unterdrückten, alle Arbeiter, alle Frauen und alle Minoritäten haben gemeinsam gewonnen. Es ist ein Sieg der Linken.“ Vorläufig klingt das noch sehr vollmundig, doch verständlich angesichts der drohenden Präsidial-Diktatur, die Erdogan im Sinne hatte.
Selahattin Demirtas spricht zu seinen Anhängern.
Farooque Chowdhury hat in seinem Artikel „Genug von Erdogan: Das Urteil der Wähler“ geschrieben: „Zu hoffen ist, dass mit den Wahlen eine neue Phase der türkischen Politik beginnen wird.“ Das hat auch der Führer der größten Oppositionspartei CHP (Republikanische Partei des Volkes) zum Ausdruck gebracht: „Wir beendeten eine Ära der Unterdrückung durch demokratische Mittel. Die Demokratie hat gewonnen. Die Türkei hat gewonnen.“

Allerdings verliefen die Wahlen keineswegs besonders demokratisch. Die HDP war vielerorts das Ziel von Gewalt. Einer ihrer Busfahrer wurde ermordet und drei Anhänger fielen in Diyarbakir einem Bombenattentat zum Opfer.

Die schwedische Wahlbeobachterin Ann-Margarethe Livh berichtete von „offenen Betrugsmomenten“ und sie selbst nebst anderen Beobachtern wurden mit Waffen bedroht. Wahlkästen wurden in Müllcontainer geworfen, es wurden Schlägereien provoziert von AKP-Anhängern und auch bei der Auszählung soll es zu vielen Unregelmäßigkeiten gekommen sein. Die Human Rights Association nannte das türkische Wahlsystem „das ungerechteste System der Welt“.

Dass Erdogan trotz allem noch so viele Stimmen auf sich vereinigte, liegt daran, dass er die Wirtschaft ankurbelte, auch wenn sie in den beiden vergangenen Jahren an Power verloren hat. Die siebzehn-stärlste Ökonomie der Welt ist von 4.5 % Zuwachs durchschnittlich (2010 sogar 9%) auf 3 % gesunken. Und die Arbeitslosigkeit stieg auf 10%.

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, Erdogans Machtvollkommenheit, seine Außen-Politik, die das Land zunehmend in die Isolation führte durch seine Anlehnung an die gefährlichsten Extremisten der Region (Israel, Saudis und die ISIS) und die Kurdenfrage, die von ihm auch nicht gelöst wurde, sind ein Erbe, das von der nächsten Regierung bearbeitet werden muss.

Eine der vernünftigsten Maßnahmen Erdogans war, dass er mit Putin den Vertrag über 'Turkish Stream (statt South Stream, der von der EU torpediert wurde) getroffen hat und sich auch der eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft anschließen will. Dieser Weg wäre von einer neuen Regierung ausbaufähig, indem etwa die ehemaligen guten Beziehungen zu Syrien wiederhergestellt und auch die Politik Irans gegen die ISIS unterstützt würde.

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