Freitag, 3. Mai 2013

Australien boomt, nur nicht für die Aborigines


Die Story der First Australians [in Anlehnung an First Nations dür die Indianer Nordamerikas. D. Ü.] ist immer noch Armut und Erniedrigung, während ihr Land den größten Ressourcen-Boom der Welt erlebt.


John Pilger
29. April 2013


20 km mit der Fähre von Perth entfernt liegt West-Australiens 'erstklassiges Touristenziel'. Es ist Rottnest Island, dessen heikle, wilde Schönheit und Isolation mich an Robben Island in Südafrika erinnert. Imperien haben nie Mangel an Teufelsinseln. Was aber Rottnest Island anders macht – ja sogar Australien anders macht – ist das Schweigen und die Leugnung von epischen Ausmaßen.

„Fünf tolle Gründe für einen Besuch!“ heißt es in der Broschüre. Sie reichen von 'Familienspaß bis zum 'historischen Rottnest'. Die Insel wird beschrieben als ein „leuchtendes Licht, Verteidiger des Friedens'. Auf acht Seiten mit Familienspaß gibt es nur ein wahres Wort – Gefängnis.

Mehr als jede andere Kolonioalgesellschaft liefert Australien seine schmutzigsten Geheimnisse, vergangene und gegenwärtige, mit beabsichtigter Ignoranz oder Gleichgültigkeit aus. Al s ich in Sidney zur Schule gin,g übergingen die Standard-Texte völlig die menschliche Gemeinschaft, die am meisten auf Erden gelitten hat, die indigenen first Australians. „Es war völlig sinnlos, sie fair zu behandeln,“ schrieb der Historiker Stephen Roberts, „da sie völlig amoralisch und unfähig sind zu aufrichtiger und anhaltender Dankbarkeit.“ Sein berühmter Kollege Russel Ward war lapidar: „Wir sind heute zivilisiert und sie sind es nicht.“

Das Australien sich seither verändert hat, ist unbestritten. Um die Veränderung zu messen, ist es wichtig Westaustralien zu besuchen. Dieser riesige Staat – unser reichster – ist Heimat für den größten Ressourcen-Boom der Welt: Eisenerz, Gold Nickel, Öl, Petroleum, Gas. Profite liegen bei mehreren Milliarden $. Als der frühere Labor-Premier Kevin Rudd versuchte, eine bescheidene Steuer einzuführen, wurde er gestürzt von der eigenen Partei vermittels einer 22 Mill. A-Dollar Propaganda-Kampagne seitens der Bergwerk – Unternehmen, deren Kumpel in den Medien der Welt erste Murdocracy aufrechterhalten.

Auf den Flughäfen werden die Passagiere mit Bildern von lächelnden Aborigines-Gesichtern und festen Hüten begrüßt, die die Plünderer ihres Landes fördern. „Dies ist unsere Story,“ heißt der Text. Stimmt nicht.

Nur ein minimaler Teil der Einkünfte aus Bergbau, Öl und Gas kommt den Aborigines Gemeinden zugute, deren Armut schockierend ist. In Roebourne, im erzreichen Pilbara, leiden 80 % der Kinder an Ohrinfektionen, die otitis media genannt wird, die teilweise Taubheit verursachen kann. Oder sie werden blind von verhütbaren Trachoma. Oder sie sterben an Dickensian Infektionen. Das ist ihre Story.

Das Nyoongar Volk hat dort, wo jetzt Perth liegt, viele tausende von Jahren gelebt. Unglaublicherweise überleben sie. Noel Nannup, ein Nyoongar Ältester, und Marianne McKay, eine Nyoongar Aktivistin, begleiten mich nach Rottnest. Nannups schützende Anwesenheit war wichtig für McKay. Anders als die vergnügten Touristen, die nach „Rotto“ gehen, haben sie Tage verbracht, „sich auf den Schmerz vorzubereiten“. „Alle unsere Familien erinnern sich daran, was getan wurde“, sagt Noel Nannup.

Was getan wurde, das war Aushungern, Folter, Erniedrigung und Ermordung von First Australians. Aus ihren Gemeinschaften gerissen in einem Akt von Genozid, der die indigenen Nationen trennte und kraftlos machte, Männer und Knaben, manchmal erst 8 Jahre alt, gefesselt erlitten die gefährliche 9-Stunden-Reise im offenen Langboot. Entsetzte Gefangene wurden in fensterlose Gefängniszelle gestopft. Heute heißt es auf einem historischen Schild 'das Boothaus'. Die Unterdrückung ist atemraubend.

In einem Gefängnis, bekannt als Quod, wurden bis zu 167 Aboriginals in 28 winzige Zellen gesperrt. Das dauerte bis weit in das 20. Jahrhundert hinein. Das Gefängnis wird jetzt Rottnest Lodge genannt. Es gibt ein Spa und es gibt Doppelzimmer für Kinder/Familien-Spaß. Ich buchte einen Raum. Noel Nannup stand in der Mitte des Raumes und beschrieb seine Erinnerungen an das furchtbare Leiden. Das Fenster ging auf einen Platz, wo ein Galgen stand, wo die Touristen jetzt ein Sonnenbad nehmen. Keiner hatte eine Ahnung.

Ein „Country Club“ blickt auf ein Massengrab. Ein Psychopath, der das Quod leitete, war Henry Vincent. Er peitschte gerne die Gefangenen und ermordete zwei. Es gab eine Untersuchung. Heute wird Vincent als 'Pionier' verehrt, und Touristen werden aufgefordert, dem 'Vincent Weg' zu folgen. In der Bar des Gouverneurs wird die jährliche Henry Vincent Golf Trophäe ausgestellt. Niemand hier hatte eine Ahnung.

Rotto ist nicht Vergangenheit. Am 28. März erklärte Richard Harding, formell der Inspektor für Pflegerdienste, West-Australien zu einem „Gefängnis-Staat“. Während des Booms hat sich das Einsperren von Aborigines verdoppelt. Sie werden in rattenverseuchte Zellen gesteckt und beinahe 60 % aller jungen Gefangenen sind Aborigines – bei einer Gesamtbevölkerung von 2.5 %. Es gibt auch Kinder-Gefangene. Eine ehemalige Gefängnisministerin, Margaret Quark, sagte mir, dass der Staat jetzt schwarze Australier „quält und lagert“. Ihre Inhaftierungsrate ist jetzt fünfmal so hoch wie die von Schwarzen im Apartheid-Südafrika.

Schwarze Australier werden stereotyp als gewalttätig angesehen, doch die Gewalt, die sie routinemäßig von den Behörden erfahren, interessiert niemanden. Ein älterer Mann , ein Mr. Ward, wurde verhaftet, weil er besoffen auf einer Buschstraße fuhr. Er wurde 500 km gefahren, eingesperrt in den Eisenkessel eines Gefängnisautos von dem britischen Sicherheitsdienst GSL. Drinnen stieg die Temperatur auf 50 ° C. Ward wurde buchstäblich zu Tode gekocht. Der Gerichtsmediziner nannte es eine Schande. Aber niemand wurde angeklagt (siehe Fußnote). Das geschieht nie.

Auch der Öko-Tourismus boomt. Die Kimberley Gegend ist bei Europäern beliebt. Im vergangenen Jahr haben sich hier 40 Aborigines Jugendliche umgebracht. Eine hundertfache Zunahme. Als ich zum ersten Mal von Aborigines vor einer Generation berichtete, war Selbstmord selten. Heute ist die Verzweiflung so groß, dass die zweitgrößte Todesursache heute Selbstmord ist. Sie boomt auch.




Fußnote:
Der Artikel wurde am 29. April 2013 berichtigt um zu erläutern, dass der Direktor der öffentlichen Anklage in Westaustralien die Anklage eingestellt hat, wegen „mangelnder Beweise“. Doch WorkSafe, die Behörde, die Gesundheit und Sicherheit in Gefängnissen kontrolliert, erhob Klage gegen die Wächter Graham Powell und Nina Stokoe, die zu 9000 resp. 11 000 Australische Dollar verurteilt wurden. Auch das Gericht wurde zur Bezahlung von 285 000 $ verurteilt und der Sicherheitsdienst zu 285 000 $.


Quelle - källa - source

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen