Samstag, 6. August 2011

Acht effektive Methoden zur Verblödung, Terrorisierung und Immoblisierung der US-Jugend

Als ich heute morgen den Artikel von Bruce E. Levine '8 Reasons Young Americans Don't Fight Back' (seinen vollstängigen Artikel kann man hier lesen) las, war es nicht gerade ein Schock, da mir einiges seit langem bekannt war, aber es gab doch einige Momente, deren Auswirkungen ich mir zuvor nicht recht klar gemacht hatte. Vor allem muss man sich vor Augen führen, was Levine einleitend schreibt, dass "die herrschende Elite soziale Institutionen geschaffen hat, durch die junge Amerikaner geknebelt werden und ihr Widerstandsgeist gebrochen wird". Dass es sich also um eine bewusste Politik handelt, bei der jeder der einzelnen Momente in den anderen greift. Im Zentrum steht natürlich die Frage sozialer Sicherheit und genau diese wird von 76% aller 18  bis 34-jährigen laut Gallup-Umfrage 2010 total in Zweifel gezogen, ohne Aussicht, daran etwas ändern zu können.
Im ersten Punkt bezeichnet Levine die Schulden, die durch das Studium von den jungen Menschen angehäuft werden, als eine stark "ruhig-stellende" Maßnahme. Ein Beispiel seien die Millionen und aber Millionen revoltierenden arabischen Jugendlichen, die nicht unter dieser Last ächzen. Wenn ein junger Mensch in den USA seine Ausbildung in grundständigen Studiengängen abschließt hat er etwa 25 000 $ Schulden, und bei regelrechtem  Hochschulabschluss steht er im Durchschnitt einem Schuldenberg von ca. 100 000 $ gegenüber, just wenn er vielleicht seine neue Freiheit mit der Gründung einer Familie beginnen möchte. Mit  Ehe und und Familiegründung wird der Berg noch mehr ansteigen.  Angesichts der Krise und der Lage auf dem Arbeitsmarkt sitzt natürlich jedem die Angst im Nacken, die Schuld niemals zurückzahlen zu können.
Gleichzeitig werden sie der harten Konkurrenz des brain-drain ausgesetzt, d.h. all der jungen, bestens ausgebildeten Fachleute aus der Dritten Welt, die von den Multis eingekauft werden und damit den betroffenen Ländern, wo sie kostenlos studierten,  gestohlen werden.
Die zweite Methode ist die Psychopathologisierung und medizinische Behandlung von Verweigerung.  1955 schrieb Erich Fromm, der damals weithin respektierte antiautoritäre Psychoanalytiker der Linken: "Heute droht die Funktion der Psychiatrie, Psychologie und Psychoanalyse das Werkzeug zur Manipulierung des Menschen zu werden." Levine schreibt, dass im selben Jahr, als Fromm starb (1980), "Ronald Reagan Präsident wurde und die zunehmend autoritäte Amerikanische Psychiatrische Gesellschaft ihrer Diagnose-Bibel die 'disruptive mental disorders" (zerstörende mentale Störungen) oder bipolare Trotzstörungen hinzufügte." Diese Störungen werden mit starken beruhigenden antipsychotischen Medikamenten behandelt (z. B. Zyprexa und Risperdal mit einem Jahresumsatz von 16 Milliarden $). Ein großer Teil dieser behandelten Kinder und Jugendlichen gehört zu den lebhaften Widerspruchsgeistern. D. h. sie spuren nicht, wenn die Alten - Lehrer oder Eltern - pfeifen.
Die dritte Methode sind die Schulen, die Gehorsam und keine Demokratie lehren. Die Schüler lernen zu gehorchen und die Strafen und Belohnungen der Autoritäten anzuerkennen. Und sie lernen, dass es sinnlos ist, aufzubegehren und Widerstand zu leisten. Die Maschinerie soll reibungslos laufen. Was Reibungen verursacht, das ist von Übel und muss abgeschliffen werden.
Die vierte Methode ist 'Kein Kind bleibt zurück' und 'Wettlauf zur Spitze'. Das korporative System unter Führung von Demokraten/Republikanern hat autoritäre Schulen noch autoritärer gemacht, hat Kriege verursacht, NAFTA geschaffen, das PATRIOT Gesetz, den Krieg gegen Drogen, die Rettungsaktionen für die Banken und all dies erzeugt Ängste, was unvereinbar mit einer Erziehung zu Demokratie ist. Diese Politik "zerstört Neugier, kritisches Denken, in-Frage-stellen der Autorität und Bekämpfung illegitimer Autorität".
An fünfter Stelle kommt, Leuten, die ihre Erziehung - nicht die Schule - ernst nehmen, Scham beizubringen. Wer die Schule nicht mag, will nicht lernen. Also werden immer mehr Amerikaner (85 %) durch die Schulen gepeitscht und machen irgendeinen Abschluss, doch die Erziehung, die Bildung bleibt auf der Strecke. Je mehr Schule die Amerikaner  genießen, desto politisch ignoranter werden sie. Levine zitiert Mark Twain, der sagte: "Ich ließ niemals die Art meiner Erziehung durch die Schule beeinflussen."
Die sechste Methode ist von großer Bedeutung: die Normalisierung der Überwachung. Levine schreibt: "Während die Nationale Sicherheitsagentur (NSA) Aufmerksamkeit hervorrief, weil sie die Emails und Telefongespräche der Bürger kontrollierte und auch die Überwachung durch Unternehmer in den USA immer üblicher wird, verhalten sich junge Amerikaner ausnehmend still gegenüber der Überwachung durch das System, das in frühem Alter beginnt und zur Routine in ihrem Leben wird." Er beschreibt, wie Eltern zunehmend die PCs, Laptops und Handies ihrer Zöglinge kontrollieren und via GPS genau wissen, wo sie sich aufhalten, und dass viele Eltern sogar die Heime mit Videokameras ausrüsten. Demokratisches Verhalten wird dadurch gewiss nicht erzeugt.
Der siebte Punkt ist das Fernsehen. Schon 2009 hatte das Fernsehschauen in den USA einen neuen Rekord von acht Stunden täglich erzielt (wobei die drei Schirme von Fernseher, PC/ Laptop, iPods, Handies etc aber ohne schulische Benutzung erfasst wurden). Viele Progressive seien über die Inhalte besorgt, die von den Mainstreammedien vermittelt werden, aber schon das bloße Fernsehschauen habe eine beruhigende Wirkung, was man sich auch in Gefängnissen zunutze mache, sagt Levine.                                                                                              Und  dann sagt er etwas, was mir direkt aus dem Herzen gesprochen ist: "Fernsehen ist ein wahr gewordener Traum für eine autoritäre Gesellschaft." Das sage ich seit 40 Jahren, aber instinktiv erfasste ich den gesellschaftsfeindlichen Charakter des Fernsehens schon mit 17 Jahren, als ich das voll gepackte Wohnzimmer meines besten Freundes betrat, dessen Eltern als erste im großen Mietshaus einen Fernseher angeschafft hatten. Und alle riefen: "Still! Ruhe jetzt! Maul halten!" Ich schaute mir das 5 Minuten an und dann ging ich und kam nie wieder - jedenfalls nicht zum Fernsehschauen.
Über die Geist und Gehirn tötende Wirkung des Fernsehens gibt es so viel gute und genaue Untersuchungen, auch was den NachrichtenWERT angeht - und was haben sie bewirkt? Nichts. Nullkommanull. Damit nicht gesagt, dass es keinen Zweck erfülle: es schafft perfekte Untertanen, die ihr Maul halten, höchstens ein bißchen rumquengeln.
Der achte Punkt ist auch bedeutsam: fundamentalistische Religion und fundamentalistischer Konsumismus. Levine hat natürlich recht, wenn er schreibt, dass jede Art von Fundamentalismus den Fokus einschränke und kritisches Denken verhindere und eine 'pacifying' - beschwichtigende, pazifizierende Wirkung habe. Dass der fundamentalistische Konsumismus Selbständigkeit und Entschlusskraft verhindere, das Vertrauen in andere und Solidarität zerstöre. Ferner habe der Nahrungsindustrie-Komplex eine epidemische Kinderfettsucht, Depression und Passivität erzeugt, die ihren Widerstand gegen Herrschaft brechen. Und der Gefängnisindustrie-Komplex bringt junge antiautoritäre Leute "auf Vordermann".
Aber die 'pazifizierende' Wirkung des Fundamentalismus ist nur eine Seite der Medaille. Er kann auch durch entsprechende Kommandos - von außen oder innen (in den USA spricht ja Gott häufig direkt mit seinen Schäflein) - in das Gegenteil verwandelt werden. Dass diese 'pazifizierten' Leutchen wie Berserker über ihre Mitmenschen herfallen.
Und hat Levine auch vergessen, dass die Amerikaner in ihrer 250-jährigen Geschichte fast ununterbrochen mit größter Begeisterung und Hurrageschrei über ihre unmittelbaren und ferneren Nachbarn  hergefallen sind? Auch ohne diese acht Methoden, von denen ja einige recht alt sind.
Und er hat noch etwas vergessen: die stark nationalistische, religiös verbrämte, nicht durchweg institutionalisierte Erziehung - der Fahnenkult, der Armee-Kult, die Schul-Uniformen, das 'Wir sind die Besten', Gottes eigene Volk, das Ammenmärchen von der heroischen Geschichte etc. - die permanent in die Schädel gehämmert wird.

All dies trägt natürlich nicht zur Erziehung von Demokraten bei, geschweige denn von Revolutionären.

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